Packung wieder verschließbar

Scheiß auf den Spannungsbogen! Ich bin daheim!Mir geht´s gut und es ist gutartig! 

 

So hätten wir das geklärt. Jetzt können wir mal Tacheles reden. Die letzen sieben Tage waren der anstregendste und schmerzhafteste Kampf meines Lebens. Aber es war ein Staffellauf. Wenn ich keine Kraft mehr hatte war da eine kleine Hand, die abgeklatscht hat. Die mich angeschoben hat. Die mir auf die Schulter geklopft hat, wenn ich wieder einen kleinen Schritt zurück ins Leben gemacht habe. Zeit Danke zu sagen! Danke für das Glas Orangensaft. Danke für die Rätselhefte. Danke für den Kaffee mit Koffein. Danke für all die Kleinigkeiten, die 5 Nächte Krankenhaus irgendwie erträglich gemacht haben. Danke für die Geduld, weil ich wieder nicht geschnallt hab wie ich meine Tabletten nehmen soll. Danke, dass du die Angst durchgestanden hast, obwohl die OP länger gedauert hat. Danke, dass du meine Stimme nach außen warst und alle nervigen Fragen von Freunden und Familie beantwortet hast. Ich werde das nie gut machen können was ich dir schulde, außer dir zu versprechen das du immer alles für mich sein wirst! Und jetzt genug Geschnulze, du schämst dich jetzt bestimmt schon in Grund und Boden. Du, die namentlich nicht genannt werden will. 

Mittwoch früh ging es in den OP. Die Nacht davor hatte ich natürlich kaum geschlafen. Ich lag mit offenen Augen im Bett und war ganz ruhig. Ich hatte Angst. Todesangst. Als Atheist machte ich mir keine Gedanken über das was danach kommt, wenn ich nicht mehr aufwache. Die letzten Jahre haben mir jegliche Spiritualität ausgetrieben. Ich halt mich am Leben fest. Ich hab nur dieses eine. Nachdem ich mich verabschiedet hatte ging es zum Glück auch ganz schnell. Ich wurde auf die OP-Liege gebeten und hab eine Decke bekommen, die an einen Heizlüfter gehängt wurde. Alles sehr seltsam, aber ich fühlte mich die ganze Zeit sicher und alles war ruhig und geordnet. Das hat mich ungemein beruhigt.  Mit der Liege wurde ich dann in die Anästhesie geschoben. Dort gab es dann einen Zugang und etwas fürs Scheiß Egal in die Vene. Danach weiß ich nur noch, dass ich ganz viel Mist erzähl habe und gut gelaunt war. Ich bestand auf die nach Erdbeeren riechende, rosa Narkosemaske und dann war ich weg. 

Als ich aufwachte waren da keine Schmerzen. Ich lag sehr unbequem und auf meiner Brust fühlte es sich alles sehr schwer an. Ich fühlte mich aber total entspannt und ausgeschlafen. Keine Ahnung was da schon alles in mich rein gelaufen ist, aber es war gut. Immer noch war alles sehr ruhig. Ich dachte ich wäre noch im Aufwachraum, dabei lag ich da schon auf der Intensivstation und an dem Platz an dem ich die nächsten 24 Stunden  liegen sollte. Alles geplant, alles sehr geordnet. Man sagte mir, dass alles in Ordnung ist und alles gut war. Ich hatte wirklich wenig Schmerzen. So weit von dem weg auf das ich mich mental eingestellt habe. Im Nachhinein weiß ich echt nicht mehr viel von dem Tag. Nur dass ich ständig versucht habe die Pflege in Gespräche zu verwickeln, die aber davon völlig verdutzt waren und auch ein bisschen überfordert, weil auf der Intensivstation normalerweise kaum ansprechbare Patienten sind. Ich musste wegen der Myasthenie eine Nacht zur Beobachtung bleiben. Die MG trägt immer ein gewisses Risiko mit, dass sich der Zustand durch eine Vollnarkose verschlechtert. Am nächsten Morgen konnte ich schon im sitzen Frühstücken und verdammtnochma es war das beste Frühstück meines Lebens. Allgemein hat alles so unfassbar lecker geschmeckt. Allgemein war Essen mein Hauptinteresse in der ersten Zeit.

 

Mittag wurde ich dann schon auf Normalstation verlegt und hatte endlich Ruhe. Endlich mal Zeit zu realisieren, dass ich keine Todesangst mehr haben muss. Mal wieder kullern die Tränen. Allgemein muss ich seit der OP ständig weinen. Ich reagiere auf jede Emotion mit weinen. Die letzten Wochen waren für uns einfach schlimm. Die Erholung des Sommerurlaubs ist auch schon wieder verflogen. Eigentlich bräuchte ich jetzt noch mal zwei Wochen Strand und Sorgenfreiheit. Am Nachmittag saß ich dann trotz der massiven Logistik mit dem Rollstuhl in der Sonne und trank Kaffee. Wie wir lachten und uns des Lebens gefreut haben. So schlimm die Ereignisse waren, ich spüre das Leben wieder viel mehr. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch drei Drainagenschläuche im Bauch. Das war eigentlich das schlimmst an allem. Die Drainagen hingen an zwei Vakuumkästen, die Wundflüssigkeit und Luft aus meinem Thorax saugen sollten. Es blubbert. Und das spürt man. Und das ist unnatürlich. 

 

Umso besser war das Gefühl als sie draußen waren. Das Ziehen war zwar die Hölle und gefühlt habe ich das ganze Krankenhaus zusammen geschrieen. Aber ohne Zentralen Venen Katether und Drainagen konnte ich alleine Aufstehen und aufs Klo gehen. Das war ziemlich toll! Ab hier ging es vorwärts. ich versuchte so viele wie möglich in Bewegung bleiben. Hab den Aufzug gemieden und musste auch immer weniger Schmerzmittel abrufen. Nachdem Frühstück ging es in die Sonne. Samstagabend saßen wir schon im McDonalds und der Royal einfach lecker. Den Sonntagnachmittag verbrachten wir mit dem Besuch im naheliegenden Stadtpark. 

 

Fünf Tage nach der OP ging es wieder heim. Für den Eingriff sehr schnell, aber ich hatte mir vorgenommen zu kämpfen und das hab ich dann eben gemacht. Die vielen Stunden laufend in der Pampa, wo man sich doch manchmal fragt, warum man sich das eigentlich alles antut, haben mir etwas beigebracht, manchmal muss man eben einfach durch. Auch wenn man keine Lust mehr hat, wenn man 20 km in die eine Richtung gelaufen ist, muss man um wieder heim zu kommen eben nochmal 20 km laufen. Ich bin zwar dieses Jahr keinen Ultra mehr gelaufen, aber nach diesen fünf Tagen bin ich mir sicher, dass ich zumindest von der Psyche her könnte. Das Geheimnis beim Laufen ist es einfach nicht aufzuhören einen Schritt vor den anderen zu setzen. 

 

Heute morgen kam dann der erlösende Anruf, das die Histologie für einen Hyperplastie spricht und ich nicht für einen Tumor. Keine Chemo. Ziemlich sicher keine Bestrahlung. Ich hab vor in zwei Wochen wieder laufen zu gehen. Jetzt erst mal Physio und erholen. UND LEBEN!

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Kommentare: 4
  • #1

    Sebastian (Dienstag, 27 September 2016 14:36)

    Klingt ziemlich gut! Schön, dass Du wieder unter den Lebenden bist. Und toll, dass Du so einen starken Support in der Zeit hattest. Gute Genesung!

  • #2

    Sascha (Dienstag, 27 September 2016 14:48)

    Danke dass du wieder da bist :)

  • #3

    Dominik (Dienstag, 27 September 2016 15:12)

    Alter - Gänsehaut. Halt die kleine Hand für Immer fest - ich setze mich jetzt in die Sonne, trinke auch einen Kaffee und blinzel ein bisschen entspannter in die Sonne. Danke für den Artikel!

  • #4

    Beate (Dienstag, 27 September 2016 18:00)

    Gott sei gelobt und getrommelt - hab ich mal gehört und glaube nicht an Gott.
    Aber an deinen unbeugsamen Lebenswillen ✌